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Mitarbeiter:innen motivieren und ans Unternehmen binden

Mitarbeiter:innen motivieren und ans Unternehmen binden

26.10.2021 – Können New Work Methoden Mitarbeiter:innen motivieren und an das Unternehmen binden? Wir fragen Erika Regnet, Professorin für Personal und Organisation an der Hochschule Augsburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Lehre, Forschung und Beratung u.a. zu den Themen Personalentwicklung, Rekrutierung und Führungsverhalten.
Welche Arbeitsmodelle werden sich nach der Pandemie dauerhaft durchsetzen?
Professorin Erika Regnet

Welche Arbeitsmodelle werden sich nach der Pandemie dauerhaft durchsetzen?

Wir werden nicht zum Jahr 2019 zurückkehren, sondern selbstverständlich wird sich einiges ändern. Natürlich gibt es Arbeitsplätze, in denen sich nichts ändert. Zum Beispiel Pflegekräfte, diese müssen auch weiterhin im Krankenhaus Dienst tun, der Busfahrer oder Busfahrerin wird weiterhin Bus fahren und das nicht virtuell machen.

Aber es gibt viele Arbeitsplätze, bei denen wir gesehen haben, dass eine andere Form des Arbeitens möglich ist. Von daher wird sich sicherlich einiges in die Zeit nach der Pandemie übertragen lassen. Die Schwierigkeit wird sein, hier eine gute und vernünftige Balance zu finden. 
 

Sie haben eine Studie zum Thema Coworking und Open Spaces durchgeführt. Welchen langfristigen Einfluss hat die Pandemie auf diese beiden Modelle?

Auch nach der Pandemie wird es viele Bereiche geben, wo wir bessere Ergebnisse erzielen, wenn wir zusammenarbeiten. Es wird Unternehmen geben, für die Kooperation extrem wichtig ist und die solche modernen Arbeitsmöglichkeiten zum Austausch benötigen. Auf der anderen Seite wird es Unternehmen geben, deren Mitarbeitende grundsätzlich mobil arbeiten können und die das Office deshalb so attraktiv wie möglich gestalten, damit die Mitarbeitenden zwischendurch gerne in das Office gehen. Ich habe schon von Unternehmen gehört, dass das Office andere Aufgaben erfüllt als bisher. Dann macht man konzentrierte Einzelarbeit und verschiedene Sitzungen remote, und im Office entstehen sowohl technisch als auch durch die Arbeitsatmosphäre gute Möglichkeiten zum Austausch. Das ist attraktiv.

"Es wird Unternehmen geben, für die Kooperation extrem wichtig ist und die solche modernen Arbeitsmöglichkeiten zum Austausch benötigen."

Das Büro wird also andere Aufgaben übernehmen wie zum Beispiel als Kollaborationsort und Treffpunkt?

Über lange Zeit werden verschiedene Modelle nebeneinander existieren. Aus ganz praktischen Gründen. Es wird Bereiche geben, wo nicht ganz so viel Kooperations- und Kommunikationsbedarf besteht. Es wird also klassische Arbeitsplätze geben, denn wir wissen ja durchaus, dass viele Menschen lieber in einem ein- oder zwei-Personen Büro sitzen als in einem Open Space Raum. Nicht jeder arbeitet dort gerne und kann sich dort gut konzentrieren. Ich denke, es wird unterschiedliche Varianten geben für die nächsten zwei Jahrzehnte. Sei es, wenn man unterschiedliche Tätigkeiten hat, sei es, weil Menschen unterschiedliche Präferenzen haben oder sei es schlicht und einfach, weil man nicht alle fünf Jahre ein neues Bürogebäude bauen kann. 

Im besten Fall haben wir eine Win-Win-Situation. Menschen sind unterschiedlich. Der eine arbeitet eben gerne mit Kollegen und Kolleginnen zusammen, der andere ist lieber alleine. Es gibt Menschen, die sind sehr kreativ im kollaborativen Umfeld. Es geht immer darum eine vernünftige Balance zwischen Erwartungen und Wünschen des Mitarbeitenden, zwischen den Erwartungen und Wünschen der Kunden/Kundinnen, den Anforderungen der Tätigkeit und der Wirtschaftlichkeit zu finden.
 

Derzeit führen Sie eine Studie zur Arbeitgeberattraktivität durch. Sind Unternehmen, die flexibles Arbeiten anbieten, für Hochschulabsolventen attraktiver?

Diese Frage kann man grundsätzlich mit JA beantworten. Jeder Mensch hat lieber eine flexible Wahl als ein starres Raster, das ihm vorgegeben wird. An allererster Stelle steht da die Arbeitszeitflexibilität, also die entsprechenden Arbeitszeitmodelle. Dann folgt das Thema mobiles Arbeiten. Was natürlich kein Mensch will, ist, dass die Flexibilität nur auf Seiten des Unternehmens liegt, zum Beispiel durch Leiharbeit oder befristete Verträge. Ist nachvollziehbar, aber zwischen dem Spannungsfeld Wirtschaftlichkeit und Mitarbeitererwartungen nicht immer ganz einfach zu realisieren.

Was das mobile Arbeiten/Homeoffice betrifft sehen wir aktuell in Studien interessante Ergebnisse. Nummer 1, eine hohe Zufriedenheit der Mitarbeitenden, die auf das mobile Arbeiten nicht mehr verzichten möchten. Nummer 2 aber auch das Gefühl, sehr produktiv zu sein und mehr zu arbeiten. Auf der anderen Seite, wenn man Führungskräfte befragt, sind sie nicht durchgehend der Meinung, dass ihre Mitarbeitenden Zuhause produktiver sind. Da gehen die Meinungen durchaus auseinander. Es scheint auf, dass viele zwar länger arbeiten aber nicht produktiver sind.

Mitarbeitermotivation durch Open Spaces
Flexibilität des Arbeitsortes für mehr Motivation

Ergebnisse der aktuellen Studie zum Thema New Work:

  • Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilität sind wichtige Attraktivitätsfaktoren bei der Arbeitgeberwahl.
  • Kooperation und Kreativität erfordern auch persönliche Kontakte und Kollaborationsflächen.
  • Ein gutes Betriebsklima ist wichtige Voraussetzung für Mitarbeiterbindung
  • Bei mobiler Arbeit an zwei oder drei Tagen/Woche ist ein gutes Klima aufrecht zu erhalten. 
  • Unternehmen, deren Mitarbeiter:innen nicht zwingend im Büro sitzen müssen, um ihre Arbeit zu erledigen, erkennen eine wirtschaftliche Chance: Die entsprechenden Jobs können auch in Billiglohnländer verlagert werden, Digitalisierung wird das verstärken. 

Müssen in Zukunft sowohl Unternehmer als auch Mitarbeiter:innen flexibler werden?

Es ist wichtig, dass wir eine gute Balance zwischen Mitarbeitererwartungen, Kundenerwartungen und Wirtschaftlichkeit schaffen. Nachvollziehbar ist natürlich, dass Menschen flexibel arbeiten wollen. Auf der anderen Seite brauchen wir in vielen Unternehmen Kollaboration, wahrscheinlich mehr Kollaboration als vor 15 oder 20 Jahren.

In unserer Studie haben wir zum Beispiel nach dem Thema Work-Life-Balance gefragt, was in unserer Studie bei allen Befragten über alle Studiengänge hinweg an dritter Stelle steht bei den Kriterien für einen attraktiven Arbeitsplatz. Die flexiblen Arbeitszeiten stehen an vierter Stelle. Auf den Spitzenplätzen stehen wieder Aufgaben und Betriebsklima. Zum einen bedeutet Work-Life-Balance für junge Menschen unterschiedliches. Die einen verstehen darunter, dass sie eine 30 Stunden Woche haben, die anderen verstehen darunter einen Tarifvertrag und wiederum andere sagen, dass es nicht mehr als 50 Arbeitsstunden pro Woche sein sollten. Das unterscheidet sich sehr stark nach Fachdisziplin. Betriebswirte sind durchaus zu Überstunden bereit, zumindest für einige Jahre, um Karriere zu machen. Man sieht Work-Life-Balance ist nicht immer gleichbedeutend mit Überstundenablehnung.
 

Können die Studienergebnisse auch ganz allgemein auf Arbeitnehmende übertragen werden? Es wurden ja aktuell nur Absolvierende befragt.

Ich denke, dass das Thema Work-Life-Balance wichtiger wird, nicht nur wenn ich in der Familienphase bin. Das zeigen alle Studien zu diesem Thema. Es ist nach wie vor nicht untypisch zu sagen, ich gehe ein paar Jahre in die Beratung und danach suche ich mir eine andere Stelle, in der ich meine Arbeitszeit besser planen kann. Wo ich die Anforderungen der Tätigkeit mit familiären und privaten Anforderungen besser verbinden kann. Und gerade beim Thema Kollaboration und mobilem Arbeiten werden wir in den nächsten Jahren sehen müssen, wie wir da eine gute Balance finden können.

Ist Remote Work künftig eine Grundvoraussetzung für Arbeitnehmer, um sich für ein Unternehmen zu entscheiden oder im Unternehmen zu bleiben?

Ich gestehe, ich bin kein Anhänger davon zu sagen, Homeoffice oder mobiles Arbeiten tatsächlich als verpflichtenden Anspruch zu verankern. Ich finde es gut, wenn Mitarbeitende und Führungskräfte hier überlegen, was Sinn macht. Ich fände es aber auch schlimm, wenn es Mitarbeitende zukünftig bevorzugen, ihre Kollegen und Kolleginnen nicht mehr zu sehen. Hier würde ich mir dann überlegen, ob mein Team richtig zusammengesetzt ist. Der persönliche Kontakt kann auch ein hoher Motivationsfaktor sein. Es gibt hoffentlich viele, die sich morgens freuen, ihre Kollegen oder Kolleginnen zu sehen und sagen, das ist viel schöner, als nur Zuhause zu sitzen. Ich hoffe, dass wir nicht aus der Pandemie gehen und sagen, virtuell reicht aus. 

Der formale Austausch ist wunderbar auch online zu realisieren. Aber Dinge, die vielleicht nebenbei noch angesprochen werden, was für mich persönlich auch interessant sein könnte, das bekomme ich nicht mit. Auch Vertrauen aufzubauen ist online schwierig. 
 

Was empfehlen Sie als Expertin generell Unternehmen, um deren Arbeitgeberattraktivität zu steigern?

Zum einen mit den eigenen Mitarbeitenden zu sprechen. Das kann eine direkte Ansprache sein, das wird ganz häufig aber auch als anonymisierte Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Unter dem Aspekt: Wo seht ihr Stärken? Wo seht ihr Schwächen? Womit seid ihr zufrieden? Was wünscht ihr euch anders? Ein ganz wichtiger Teil ist tatsächlich, auf die Mitarbeitenden zu hören und mit ihnen zu überlegen, wie zum einen eine gute Balance, zum anderen ein guter Kompromiss zwischen den Erwartungen, Mitarbeiter:innen, Kunden und der Wirtschaftlichkeit zu finden ist. Das ist das eine, das andere ist, nach außen betrachtet, wenn es um das Thema Recruiting geht, sich intensiv zu überlegen, was will meine Zielgruppe? Und das dann dementsprechend sowohl im Arbeitsmodell, aber auch in Arbeitstätigkeiten umzusetzen. Sehr positiv ist, dass die Arbeitstätigkeit und das Betriebsklima, sprich auch die KollegInnen, die ersten Punkte sind, auf die junge Menschen achten, wenn sie einen Arbeitgeber aussuchen. Was nützt mir das schönste Arbeitsmodell, wenn ich langweilige Tätigkeiten habe oder wenn ich in einem Umfeld bin, in dem ich mich nicht wohlfühle?

Vielen Dank für das Interview.