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Erfolgreiches Teambuilding: Führungskräfte in der Pflicht!

Erfolgreiches Teambuilding: Führungskräfte in der Pflicht!

01.03.2022 – Zusammenstellung, Arbeitsmethoden, Unterschiede, Führung: Viele Faktoren spielen eine Rolle im erfolgreichen Teambuilding – und viele Herausforderungen. Im Interview erklärt uns ein BWL- und Personal-Fachmann, worauf zu achten ist. 
Agil, divers, stark, innovativ: Wie Teambuilding am besten funktioniert
Professor Michael Hudetzka

Agil, divers, stark, innovativ: Wie Teambuilding am besten funktioniert

Michael Hudetzka ist Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Er doziert in den Themenbereichen Allgemeine BWL, Personalmanagement, Mitarbeiterführung, Organisation und Projektmanagement. Er kennt sich mit klassischem Projektmanagement genauso aus wie mit agilem. In unserem Interview spricht der Professor über das Thema Teambuilding.

“Menschen sind der Schlüssel zu jeder Organisation” – sehen Sie das auch so?

Selbstverständlich unterstreiche ich diese These als Personalwirtschaftler deutlich. Wenn man Unternehmen von außen oder von innen beobachtet, stellt man schnell fest, dass es dort viele Dinge gibt, die austauschbar sind – unabhängig davon, ob es sich um Produkte, Technologien oder Dienstleistungen handelt. Hierzu ein kurzes Beispiel: Apple entwickelte das iPhone und kurze Zeit später gab es eine Reihe von anderen Herstellern, die ebenfalls ein Smartphone mit ähnlichen Funktionalitäten aber zu deutlich günstigeren Preisen angeboten haben. Das bedeutet, Unternehmen und ihre Angestellten müssen sich regelmäßig in kürzester Zeit neu erfinden, was durch die Globalisierung und den damit verbundenen höheren Wettbewerbsdruck noch beschleunigt wird.

Hier kommen die Menschen ins Spiel. Unternehmen sind auf das Expertenwissen, die Fähigkeiten und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter:innen sowie auf ihre unterschiedlichen Erfahrungshintergründe angewiesen, um Innovations- und Optimierungsprozesse immer weiter voranzutreiben. Es kommt also vor allem auf die Summe der individuellen Wissensstände der einzelnen Mitarbeiter:innen an, das als organisationales Wissen bezeichnet wird.

Dieses Know-how, das in einer Organisation über mehrere Köpfe verteilt ist, kann nicht einfach durch andere Firmen schnell kopiert werden wie beispielsweise die Features eines iPhones. Deshalb sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zukunft die Schlüsselressource, wenn es um Innovationen geht. Zudem rücken Trends, wie der demografische Wandel, der Fachkräftemangel oder die Digitalisierung, den Menschen stärker denn je in den Blickpunkt einer jeglichen Organisation. Folglich müssen Unternehmen verstärkt Maßnahmen zur Gewinnung und Bindung ihrer Angestellten einleiten, was im Rahmen des Employer Branding bei vielen Unternehmen bereits erfolgt.

"Dieses Know-how, das in einer Organisation über mehrere Köpfe verteilt ist, kann nicht einfach durch andere Firmen schnell kopiert werden wie beispielsweise die Features eines iPhones."

Was macht erfolgreiches Teambuilding aus?

Zu allererst stellt sich mir hier die Frage, ob es sich um Teambuilding innerhalb eines bestehenden Teams, wie etwa einer Abteilung, oder eines neuen Teams, beispielsweise in einem abteilungsübergreifenden Projekt, handelt. Im letzteren Fall wird Teambuilding grundlegend in die 4 Phasen Forming, Storming, Norming und Performing gegliedert. In der ersten Phase, die auch als Orientierungs- oder Findungsphase bezeichnet wird, werden die Weichen gestellt, für ein erfolgreiches Teambuilding. Es ist im Endeffekt die Führungskraft, die dafür verantwortlich ist, dass diese erste Phase ein wichtiges Fundament bildet für die zukünftige Teamarbeit. Das bedeutet zunächst, die Führungskraft muss sich über die Zusammenstellung des Teams Gedanken machen, z.B.: Welche Rollen brauche ich, welche Hintergründe, welche Erfahrungen sind notwendig? Anschließend ist von der Führungskraft dafür zu sorgen, dass ein einheitliches Ziel mit den Mitarbeiter:innen formuliert wird, womit sich alle identifizieren, um ein entsprechendes Commitment zu erreichen. Darüber hinaus sollte von Beginn an von der Führungskraft eine Teamkultur, die von Wertschätzung, Vertrauen, Feedback und Kommunikation geprägt ist, vorgelebt werden. Die Führungskraft muss also in ihrer Rolle als Vorbildfunktion positiv wahrgenommen werden.

Teambuilding ist Führungsverantwortung
Teambuilding und Teamstärkung

Welche Maßnahmen sind zielführend, um ein Team zu stärken?

Am Anfang ist die Führungskraft gefragt, die richtigen Leute an Bord zu holen. Oder, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon da sind, muss die Führungskraft erst einmal schauen, dass das Team zusammenfindet, beispielsweise mit Kick-off Workshops, Austauschrunden oder etwas Informellerem wie ein Wanderausflug oder ein Grillfest. Dabei sollte die Führungskraft immer ein offenes Ohr für ihre Mitarbeiter:innen haben, um z.B. individuelle Stärken und Interessen zu erkennen. Das kann später bei der Rollen- und Aufgabenverteilung sehr hilfreich sein. Zuhören stellt hier eine sehr bedeutende Führungseigenschaft dar, um das Team zu stärken. Das offene Ohr ist oftmals wichtiger als das gesprochene Wort der Führungskraft.

Eine weitere Maßnahme, die Teambuilding ausmacht, ist das Thema Sinnvermittlung. Die Angestellten müssen wissen, was der eigene Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele ist: „Was ist mein Beitrag für das Erreichen des Overall Goals?“ – aber auch: „Was für ein Sinn steht für mich persönlich dahinter?“. Das ist unheimlich schwierig. Wir kennen das möglicherweise aus dem Sport, da lesen wir häufig: „die Mannschaft ist der Star”. Der Stürmer hilft mal hinten aus und ein kopfballstarker Abwehrspieler darf bei Ecken auch mit vorgehen und Tore schießen. Das klingt erst einmal sehr erfreulich. Die Teamziele stehen über allem, also das kollektive Interesse wird den individuellen Interessen übergeordnet. In diesem Fall sind Spielerinnen und Spieler sogar bereit, auf der Ersatzbank Platz zu nehmen. Wenn es sportlich aber nicht mehr so läuft wie erwartet, stellt sich heraus, ob ein Rückschlag das Team nachhaltig stärkt oder ob individuelle Interessen plötzlich an Bedeutung gewinnen. Am Ende kommt es eben doch nicht ausschließlich auf das Team an, sondern auch auf die individuellen Interessen. In der Unternehmenspraxis ist das nicht anders. Mitarbeiter:innen müssen also den Sinn ihrer Tätigkeit verstehen, sowohl bezogen auf das Unternehmen als auch auf sich selbst.  Kommunikation ist hier das A und O. Ist die Sinnfrage geklärt, fällt vieles im Anschluss leichter. Es heißt nicht um sonst, wer Leistung fordert, muss Sinn bieten.

Aber nicht nur für die Sinnvermittlung, auch für die tägliche Zusammenarbeit im Team ist Kommunikation untereinander sehr wichtig. Wenn Sie in moderne Büros schauen, da gibt es Tischkicker, Tischtennisplatten, es gibt Lounges, um formelle und informelle Kommunikation zu fördern. Im agilen Projektmanagement gibt es die sogenannten Retros, in denen das Team Prozesse reflektiert, wie man sich in den letzten zwei Wochen zusammen verhalten hat und was man für die Zukunft lernt, um noch besser zu sein.

Dann möchte ich noch gerne auf das Thema Konflikte eingehen. Dass Konflikte entstehen, ist im Teambuilding-Prozess absolut wichtig. Man spricht hier von der sogenannten Stormingphase, wenn es z.B. darum geht, welche Rolle bzw. Position eingenommen werden oder welche Strategie verfolgt werden soll. Vor allem, wenn wir uns im innovativen Umfeld bewegen, ist es ganz normal, dass Konflikte auftreten. Es gibt da ein Sprichwort: “Nicht die Konflikte sind das Problem, sondern der Umgang mit ihnen”. Dafür muss die Führungskraft sensibilisieren und als Mediator fungieren. Sie sehen also, die Führungskraft ist vor allem am Anfang mit zahlreichen und hohen Anforderungen konfrontiert. Einfach gesagt: Die Führungskraft muss dafür sorgen, dass die Mitarbeiter:innen ihren Job möglichst selbstorganisiert und damit effizient erledigen können.

Welche Chancen und Risiken ergeben sich beim Teambuilding durch agile Arbeitswelten?
Teambuilding durch agile Arbeitswelten

Welche Chancen und Risiken ergeben sich beim Teambuilding durch agile Arbeitswelten?

Da ist natürlich die Frage, wie man “agil” oder “ agile Arbeitswelten” interpretiert. Einerseits bedeutet Agilität in vielen Unternehmen, dass in einer überschaubaren Projektgruppe, die in einem großen Raum lokalisiert ist, in relativ kurzer Zeit Prototypen rudimentär entwickelt und getestet werden.

Im erfolgreichen Fall werden dann diese Prototypen, z.B. Softwarelösungen, marktfähig weiteroptimiert. Da die Angestellten alle direkt vor Ort in einem Projektraum arbeiten, können die Teambuildingprozesse deutlich schneller ablaufen, als in Projekten, in denen die Mitarbeiter:innen räumlich sehr verteilt sind. Im Endeffekt wird dadurch auch die benötigte Zeit zur Herstellung von Produkten und Services deutlich reduziert, was für die Unternehmen natürlich eine große Chance ist.

Andererseits bedeutet agil heutzutage auch, die Arbeit von unterschiedlichen Orten durchzuführen, teilweise auch zu unterschiedlichen Zeiten. Aufgrund der zunehmenden Verlagerung des Arbeitgebermarkts zum Arbeitnehmermarkt wird die Arbeit hinsichtlich Zeit und Ort deutlich flexibilisiert, wodurch wir es hier auch genau mit dem Gegenteil zu tun haben können. Das heißt, die Kommunikation, insbesondere die persönliche Interaktion, wird zunehmend schwieriger, wodurch sich die Teambuildingprozesse verlangsamen können, was einen erheblichen Nachteil darstellen kann.

Agilität kann hier also sehr unterschiedliche Auswirkungen auf das Teambuilding haben. Darüber sollten sich die Teammitglieder bewusst sein und folglich diszipliniert mit gewonnenen Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit umgehen.

Ansonsten sehe ich bei agilen Arbeitswelten neben dem Thema Geschwindigkeit vor allem die Möglichkeit, dass den Mitarbeiter:innen mehr Raum für Kreativität gegeben wird. In der Regel kann man in agilen Projekten mehr Pioniergeist entwickeln, weil der Fokus weniger auf formale Dinge gelenkt wird. Es geht darum, in kurzer Zeit einen Prototypen rudimentär zu entwickeln und diesen dann kontinuierlich nach den spezifischen Wünschen von Auftraggeber:innen oder Kund:innen zu optimieren.

"In der Regel kann man in agilen Projekten mehr Pioniergeist entwickeln, weil der Fokus weniger auf formale Dinge gelenkt wird."

Woran kann man messen, dass die Teambuilding Maßnahmen erfolgreich waren?

Wenn Sie explizit von Messen sprechen, dann sage ich: an der Anzahl von krankheitsbedingten Fehltagen, der Teilnahme an Gruppenmeetings, in der Zu- oder Abwanderung von Teammitgliedern sowie letztendlich im Erreichen von Meilensteinen und dem Einhalten des Zeitplans. Allerdings sollte man sich hier bewusst sein, dass nicht alles was messbar ist, auch tatsächlich aussagekräftig ist. Man muss auch zwischen den Zeilen lesen können: z.B. wie läuft die Kommunikation untereinander oder wie sieht die gegenseitige Unterstützung aus?
 

Woran erkennt man starke Teams?

Indem über die Aufgaben und nicht über die Rollen und Positionen diskutiert wird. Wir kennen das sogenannte Harvard Konzept. Da geht es darum, wie man Konflikte nicht auf persönlicher Ebene austrägt, sondern auf der Sachebene. Erfolgreiche Teambuilding-Maßnahmen führen dazu, dass man über die Sache diskutiert, ganz nach dem Motto: „hard to issue, soft to the person“. Auch in Krisenzeiten lässt sich die Stärke eines Teams erkennen, bricht es auseinander oder wächst es zusammen?

Was sicherlich auch noch ein wichtiger Indikator ist, ist eine offene Feedback-Kultur, denn ohne Feedback gibt es keine Weiterentwicklung. Wenn die Organisation bzw. das Team soweit ist, zu erkennen, dass Feedback unheimlich wichtig ist, dass jeder davon lernen kann, dann ist das Team schon sehr weit fortgeschritten. Man sollte damit proaktiv und konstruktiv umgehen und es als Chance sehen, Erkenntnisse zu gewinnen, und nicht versuchen, Fehler zu vermeiden, denn darunter leidet der Innovationsgedanke.

Inwieweit spielt die Unternehmenskultur und die kulturelle Identität der Angestellten eine Rolle beim Teambuilding?

Für die Unternehmenskultur ist es wichtig, dass das Team in einem unternehmenskulturellen Kontext mit Merkmalen wie Vertrauen, Respekt und Anerkennung eingebunden ist. Wenn Sie auf Homepages von verschiedenen Unternehmen schauen, werden Sie oft diese beispielhaft genannten Werte lesen. Erfolgsentscheidend ist allerdings, dass diese Werte nicht nur genannt, sondern tatsächlich auch gelebt werden.

Weiter zeigen viele Studien, dass Innovation vor allem dann zustande kommt, wenn das Team sehr heterogen in Bezug auf bestimmte Merkmale ist. Unabhängig davon, ob es das Alter, das Geschlecht oder der kulturelle Hintergrund ist. Hier lässt sich schon sagen, dass unterschiedliche kulturelle Hintergründe sehr förderlich sind. Viele Unternehmen haben dieses auch in Zukunft immer wichtiger werdende Thema inzwischen für sich als Marke definiert. Schließlich wird aufgrund des demografischen Wandels sowie der Globalisierung die Belegschaft viel heterogener werden.
 

Was sind die größten Hürden und Perspektiven beim Teambuilding in Teams mit hoher Diversität?

Es ist sicherlich erst einmal nervenaufreibender. Wenn Sie keine hohe Diversität haben, kommt es wahrscheinlich schnell zu Übereinstimmungen. Man spricht von dem sogenannten "Group Think”-Gedanken. Gerade wenn Sie im innovativen Umfeld tätig sind, brauchen Sie aber unterschiedliche Meinungen, um etwas Neues zu entwickeln. Dafür benötigen wir eine hohe Diversität. Das bedeutet aber auch, als Führungskraft haben Sie zu Beginn keinen leichten Job, weil Sie aus einer sehr heterogenen Belegschaft ein einheitliches Gebilde mit anfangs hohem Konfliktpotential formen müssen. Das verlangt ein gewisses Fingerspitzengefühl, um die richtige Balance zwischen Heterogenität und Homogenität zu finden und zu managen.

Vielen Dank für das Interview.