Direkt zum Inhalt
SIGEL. RAUM FÜR IDEEN.

Unternehmen im Wandel: Change Management hilft!

Unternehmen im Wandel: Change Management hilft!

21.12.2021 – Ihr Credo ist „Veränderungen dürfen weh tun und Spaß machen“, und ihre beruflichen Schwerpunkte passen genau dazu: Change Management, Organisationsentwicklung und Personal Management. Seit fünf Jahren ist Frau Prof. Dr. Sarah Hatfield Professorin für Human Resources & Change Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Augsburg. Sie sprach mit uns über Veränderungsprozesse in Unternehmen und worauf dabei zu achten ist.
Professor Hatfield, können Sie uns kurz erklären, worum es im Change Management geht?
Frau Prof. Dr. Sarah Hatfield

Professor Hatfield, können Sie uns kurz erklären, worum es im Change Management geht?

Im Wesentlichen geht es darum, Veränderungsvorhaben erfolgreich umzusetzen. Überall dort, wo Kulturwandel oder veränderte Arbeitsweisen gefordert sind, bedarf es eines gewissen Maßes an Transformationsbegleitung.

Reorganisationen sind ein gutes Beispiel. Da reicht es nicht, eine Restrukturierung in einer Firma einfach nur durch ein neues Organigramm zu verkünden und zu erwarten, dass dann alle sagen „ok, so ist es jetzt, ab heute wird der Schalter umgelegt“. Es gehört viel Rollenklärung dazu und das Etablieren eines gemeinsamen Verständnisses: Worauf die neue Struktur einzahlen soll, wem das was bringt und idealerweise auch, wie gemessen werden kann, ob es erfolgreich ist. Das ist ein wichtiger Unterschied zum Projektmanagement. So viele Projekte scheitern, obwohl sie gut aufgesetzt sind, aber eben der Change Aspekt fehlt. Es gibt viele Beispiele. Damals, die gescheiterte Fusionierung von Daimler und Chrysler. Da haben die Kulturen und Arbeitsweisen nicht zueinandergefunden.
 

Wann und warum würden Sie einem Unternehmen empfehlen, einen Change Management Prozess zu initiieren?

Grundsätzlich empfehle ich es bei jeder Transformation, die ein gewisses Maß an Komplexität aufweist und bei der Arbeitsweisen verändert werden. Bestimmte Verhaltensmuster müssen aufgebrochen werden, um zum Erfolg zu kommen. Ich begleite gerade eine große digitale Transformation. Da ist klar, dass die Transformation nicht nur ein IT-Projekt ist, bei dem am Ende neue Geschäftsmodelle herauspurzeln, sondern es wird sicherlich auch eine neue Form der Zusammenarbeit brauchen.

Wie schafft man, dass die über einen langen Zeitraum kultiviert wird? Dass einem dabei nicht die Puste ausgeht und man wieder in die alten Muster zurückfällt? Wir erleben gerade einen extremen Wandel. Von Präsenzarbeit zu Remote Work und wieder zurück zu hybriden Arbeitsformen. Aber auch vom klassischen Projektmanagement zu agilerem Projektmanagement usw. Dabei hat man überall mit einer höheren Komplexität zu tun und ist gut beraten, sich einen extra Freiraum zu halten, um zu überlegen: was muss sich an unserer Zusammenarbeit ändern und welches neue Verständnis braucht es dafür?

"Bestimmte Verhaltensmuster müssen aufgebrochen werden, um zum Erfolg zu kommen."

Sollten Unternehmen einen Change Prozess in Eigenregie vollziehen oder besser mit externer Hilfe?

Es gibt viele Unternehmen, die haben tolle interne Change Begleiter:innen. Das Problem, wenn man die Begleitung rein intern organisiert, ist natürlich, dass man nach einer Zeit möglicherweise nicht mehr die gewisse Neutralität zu einem Thema hat oder irgendwann nicht mehr mit genügend Leidenschaft dahintersteht. Dann ist eine Unterstützung von externen Expert:innen ratsam, die schon viele Transformationen begleitet haben und das Erfahrungswissen mitbringen, vielleicht mal blinde Flecken aufzuzeigen, den Spiegel vorzuhalten.

Umgekehrt ist es natürlich so, dass externe Berater:innen das interne Wissen, das es in einer Organisation gibt, nicht ersetzen. Deswegen ist es für sie umgekehrt gut, wenn sie interne Ansprechpartner:innen haben. Ich habe mit solchen Tandems sehr gute Erfahrungen gemacht.
 

Wie sieht ein erfolgreicher Change Management Prozess aus?

Change Prozesse sind sehr vielseitig. Für mich zeichnet sich ein erfolgreicher Change Management Prozess dadurch aus, dass er der Komplexität von Veränderungen Rechnung trägt, indem er zum Beispiel kontinuierlich Wasserstandsmeldungen erfasst, denn Rahmenbedingungen können sich jederzeit ändern, genau wie die Stimmung. Das sollte man im Blick haben. Es gibt da viele wirksame Tools und Interventionen, die man für solche Check-Ins nutzen kann. Außerdem sollte der Prozess imstande sein, Blockaden aufzulösen. Da braucht es eine gut durchdachte Kommunikationsstrategie, die den ganzen Prozess begleitet.

Woran scheitern Change Management Prozesse am häufigsten?
Durchhaltevermögen für einen erfolgreichen Change

Woran scheitern Change Management Prozesse am häufigsten?

Am häufigsten scheitern sie am inneren Schweinehund, an der mangelnden Disziplin, am Dranbleiben, aber auch am Mut. Bei dem Unternehmen, das ich gerade begleite, ist die digitale Transformation auf die nächsten sechs Jahre mindestens ausgelegt. Da braucht man natürlich ein riesiges Durchhaltevermögen.

Und zum Thema Mut: Wenn ich wirklich etwas verändern will, dann muss ich es natürlich auch tun und vor allem bei mir anfangen und immer wieder hinterfragen, ob ich meine Energie dafür richtig investiere oder ob ich nicht doch einfach aus Bequemlichkeit wieder den einen oder anderen Kompromiss eingehe, der gar nicht so dienlich ist. Das sind die zwei wichtigsten Themen.
 

Welche Rolle spielt der Mensch im Change Management Prozess?

Der Mensch spielt natürlich die zentrale Rolle. Ohne den Menschen hätten wir überhaupt keinen Bedarf an Change Management. Das ist auch der große Unterschied zum reinen Projektmanagement. Bei komplexen Transformationsvorhaben ist es ohne die Bewusstmachung von Haltungen und Überzeugungen tatsächlich schwierig, eingeschliffene Verhaltensmuster wirklich zu ändern und damit eine grundlegende Transformation zu schaffen.

Ja, ohne den Menschen bräuchte ich eigentlich nur eine logisch aufgebaute Projektplanung, ein gutes Controlling, dann drücke ich nur noch auf „Execute“, lasse meinen Projektplan ablaufen und am Ende kommt heraus, was ich mir vorgestellt habe. Aber so funktionieren wir Menschen leider nicht. Wir haben sehr vielfältige Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bedürfnisse, und deswegen interpretieren wir Veränderungen und Ziele auf ganz unterschiedliche Weise. Dann verhalten wir uns entsprechend, weil wir unsere eigenen Ziele verfolgen, sei es bewusst oder unbewusst. Das macht Change Management zu einem komplexen und spannenden Unterfangen.
 

Wie können Mitarbeiter:innen auf kommende Veränderungen vorbereitet werden?

Die erste Vorbereitung ist, dass die Mitarbeiter:innen ein sehr klares und ehrliches Bild davon bekommen, worauf die Veränderung tatsächlich ausgerichtet ist. In welchem Zeitraum soll sie sich abspielen, wo sind schon klar gesetzte Leitplanken auf der einen Seite und wo gibt es auch Spielräume, in denen die Mitarbeiter:innen mitgestalten können. Da ist die Orientierung wirklich das A und O. Häufig fällt es Führungskräften schwer, die zentralen Botschaften, die eingangs gegeben werden, für ihren Bereich und klar und motivierend herunterzubrechen. Da kann Coaching eine sehr wertvolle Unterstützung sein. Sei es, um die eigene Haltung zum Veränderungsgegenstand zu schärfen, die eigene Kommunikationswirkung zu steigern oder auch, um einen besseren Umgang mit Stresssituationen zu finden.

Wie wichtig ist die Kommunikation im Change Management Prozess?

Oft stellt sich die Frage, wann man was kommunizieren kann. Auf der einen Seite muss man so frühzeitig kommunizieren, dass der großen Gerüchteküche vorgebeugt wird, auf der anderen Seite so spät, dass man bestimmte Sachen mit Sicherheit sagen kann, weil sie schon tatsächlich entschieden sind. Das ist die eine Herausforderung. Die andere Leitplanke ist, dass es auch immer rechtliche und betriebliche Rahmenbedingungen gibt. Also zum Beispiel, wenn Unternehmen fusionieren oder wenn ein Mitarbeiterabbau ansteht, da sind einfach ganz klare Reihenfolgen zu beachten. Eine wirklich gute Kommunikation kann dabei einen entscheidenden Unterschied machen. Wenn zum Beispiel Mitarbeiter:innen freigestellt werden sollen, ist es entscheidend, mit welcher Wertschätzung so ein Prozess wahrgenommen wird – nicht nur bei denen, die gehen müssen, sondern vor allem auch bei denen, die bleiben, für deren Motivation.
 

Welche Verbindung sehen Sie zwischen Change Management und New Work?

Die Frage ist zunächst, wer versteht eigentlich was unter „New Work“. Die einen verstehen darunter Arbeitszeitflexibilisierung, die nächsten denken dabei an neue Räumlichkeiten und neue Arbeitsumgebungen und wieder andere verstehen unter „New Work“ eher veränderte Arbeitsweisen. Es ist also vor allem wichtig, auszuhandeln, wie die Arbeit der Zukunft aussehen soll. Unternehmen müssen auf der einen Seite sagen, was genau zur Debatte steht und wo es welchen Spielraum gibt. Gleichzeitig muss kommuniziert werden, was unverrückbare Philosophie ist, von der nicht abgewichen werden kann.

Viele Firmen sagen gerade „wir sind Präsenzunternehmen, uns ist der persönliche Kontakt wichtig“. Andere sagen, „ach, wir sind so vernetzt und weltweit tätig, wir überlassen das wirklich jeder/m einzelnen, wo er/sie arbeiten möchte“. Insofern geht es beim Thema „New Work“ wirklich sehr stark um den Prozess des Aushandelns. Jede Entscheidung braucht ihre Zeit, denn das Verhalten der Angestellten muss sich entwickeln können. Da bringt es nichts, wenn man alle drei Monate neu oder umentscheidet. Solch kulturelle Änderungen sind meistens langsamer als die Entscheidungen, die man dazu trifft.

Vielen Dank für das Interview.